Vegan ist in!
Überall sprießen vegane Lokale aus dem Boden, Supermärkte erweitern ihr Angebot um vegane Fertigprodukte und Zutaten, Kochbücher überfluten den Markt und beim Einschalten meines heißgeliebten Frühstücksfernsehen blicke ich in das Gesicht von Attila Hildmann. Dem Mann, der in meinen Augen für den Hype um den Verzicht auf tierische Produkte mitverantwortlich ist und der der Moderatorin soeben überschwänglich erklärt, wie gesund die vegane Küche ist. Wer sich vegan ernährt, „entdecke ein völlig neues Körpergefühl“, sagt er. Es sei die denkbar vitalstoffreichste Ernährungsform, reduziere das Risiko chronischer Krankheiten und könne helfen, Übergewicht loszuwerden. Und ich? … blicke verschämt, aber nicht unglücklich, auf mein Käsebrötchen, nippe an meinem mit Milch veredelten Kaffee und frage mich: „Aber schmeckt es auch?“. Und wie lässt es sich in den Alltag integrieren? Vegetarisch wäre für mich kein Problem, viele meiner Freunde sind Vegetarier. Es ist relativ einfach umsetzbar (man verzichte auf sämtliche Fleisch- und Wurstwaren, Fisch und tierische Gelatine), so ziemlich jedes Lokal bietet inzwischen vegetarische Gerichte an und vor allem gibt es viele köstliche Alternativen. Eine Pizza schmeckt beispielsweise auch mit gegrilltem Gemüse anstelle von Parmaschinken. Aber vegan? Pizza ohne Käse? Ich stelle mir ein veganes Leben unheimlich zeitaufwendig und voller exotischer Zutaten vor. Trotzdem lässt mich der Gedanke nicht mehr los und irgendwie reizt es mich, diese Form der Nahrungsaufnahme zu testen. Und deshalb beschließe ich, einen Selbstversuch zu wagen – 7 Tage (und Nächte), eine Woche, 168 Stunden … 100% vegan.
Die Online-Recherche
Vor meinem inneren Auge sehe ich mich bereits strahlend vor Vitalität und mit einigen gepurzelten Kilos auf der Hochzeit meiner Schwester erscheinen, bewundernde Blicke folgen meinem Gang zum Buffet, wo ich mit geübtem Blick ein paar vegane Häppchen suche. Nun ja, in der Realität sehe ich mich erst mal damit konfrontiert, dass ich nicht einmal weiß, was ich bedenkenlos essen kann. Klar, Gemüse und Obst sind fein, Hülsenfrüchte und Soja ebenfalls. Wurst und Fleisch, Käse und andere Milchprodukte sowie Eier sind tabu. So weit, so gut – oder auch nicht, denn eine Woche nur Salat und Hülsenfrüchte? Auf gar keinen Fall, also beginne ich zu recherchieren. Und stelle fest, dass es erstaunlich viele Alternativen gibt: Tofu, Buchweizen, Kichererbsen, sogar veganer Käse und Butter sind im Angebot.
Tofu als Fleisch-Ersatz
Ob diese Ersatzprodukte schmecken, werde ich bald feststellen und starte meinen Selbstversuch mit der Onlinesuche nach einfachen Rezepten und einem Besuch im Reformhaus. Was die Rezepte angeht, scheinen sich meine Befürchtungen leider zu bestätigen, da es meistens vieler Zutaten und auch nicht gängiger Lebensmittel bedarf. Aber ich suche weiter nach weniger anspruchsvollen Rezepten und werde fündig: Pasta mit Spinat und Erdnusssoße … juchhu, lecker … aber da schlägt eine Portion mit 842 Kalorien zu Buche und trägt somit nichts zum angestrebten Gewichtsverlust bei. Buchweizen-Pancakes – ich liebe Pancakes, das wird dann aber eher was für ein ausgiebiges Wochenend-Frühstück … Letztlich beschließe ich, mit einem veganen Pilz-Risotto zu starten. Vorher statte ich noch einer bekannten Reformhauskette einen Besuch ab und decke mich mit veganen Brotaufstrichen, roten Linsen, Soja-Joghurt, besagten Kichererbsen und auch einigen Fleischersatzprodukten, wie beispielsweise veganen Mini-Frikadellen ein. So gerüstet kann es dann auch losgehen.
Vegan leben – Tag 1
Ich beginne Tag 1 mit einem Brötchen und einem veganen Paprika-Aufstrich, der auch wirklich gut schmeckt. Mittags wieder ein Brötchen und dazu einen Salat sowie die veganen Frikadellen.
Vegane Frikadellen im Brötchen
Diese sind … nun ja … essbar. Den Nachmittag über freue ich mich gedanklich auf mein Pilz-Risotto, kann es förmlich schon riechen und beschließe, mir selbiges mit einem schönen Glas Weißwein zu gönnen. Und komme nicht umhin mich zu fragen: Ist Wein vegan? Spontan würde ich sagen, „Klar, wird ja aus Trauben gemacht“, aber zur Sicherheit konsultiere ich lieber nochmal die Suchmaschine des Internet und werde eines Besseren belehrt, denn da heißt es auf Vegane Inspiration: „Säfte, Apfelmost und Traubenmost können durch Gelatine, Casein, Hühnereieiweiß oder Fischbestandteile geklärt worden sein.“ Wein ist also nicht automatisch vegan und einen veganen Wein zu suchen, dafür fehlt mir jetzt nicht nur die Zeit, sondern auch die Lust. Und führt dazu, dass der vegane Lebensstil und ich bereits am ersten Tag miteinander hadern. Dass es bei Essens-Einladungen von Freunden schwierig werden würde habe ich erwartet, aber dass ich nicht einmal bedenkenlos ein Glas Wein trinken kann? Nun ja, immerhin erfahre ich bei der Internetsuche auch, dass Bier und reine Spirituosen frei von tierischen Produkten sind. Da ich zum meinem Risotto aber weder Bier noch Schnaps trinken möchte, bleibe ich bei Wasser und mache mich abends ans Werk. Das wirklich schmackhafte Ergebnis möchte ich euch nicht vorenthalten. Das Rezept selbstverständlich auch nicht:
Zutaten für 4 Portionen
- 750 ml Gemüsebrühe
- 1 Stück Knoblauchzehe
- 2 Blatt Lorbeer (getrocknet)
- 1 Schuss Olivenöl
- 0,5 Bund Petersilie
- 1 Prise Pfeffer
- 700 g Pfifferlinge
- 400 g Risotto-Reis
- 1 Prise Salz
- 0,5 TL Steinpilzpulver (habe ich weggelassen)
- 130 ml Weißwein
- 2 Stück Zwiebeln
Zubereitung: Die Pilze gründlich waschen, trocken tupfen und in mundgerechte Stücke schneiden. Die Zwiebel und der Knoblauch schälen und fein hacken. Einen dreiviertel Liter Wasser im Wasserkocher erhitzen. Währenddessen einen Topf mit etwas Öl erhitzen und die Zwiebeln sowie den Knoblauch darin glasig anbraten. Das Lorbeerblatt und das Steinpilzpulver untermischen. Nun den Reis in den Topf geben und kurz mitdünsten. Anschließend mit Weißwein ablöschen. Das erhitzte Wasser mit dem Suppenpulver zu einer Gemüsebrühe vermengen. Ein viertel Liter davon in den Topf leeren und alles mit Salz und Pfeffer würzen. Der Reis sollte nun ungefähr 20 Minuten kochen und die restliche Brühe nach und nach hinzugefügt werden. In der Zwischenzeit erhitzt ihr eine Pfanne mit etwas Öl, bratet die Pilze für wenige Minuten an und würzt mit Salz und Pfeffer. Sobald alles gar ist, kann der Reis auf einem Teller angerichtet, die Pilze darauf verteilt und alles mit der gehackten Petersilie garniert werden (die hatte ich beim Einkauf vergessen und als Ersatz mit geraspelter Zucchini garniert) (Quelle: http://www.gutekueche.at/veganes-pfifferlingsrisotto-rezept-13621)
Leckeres Pilz-Risotto
Vegan leben – Tag 2
Tag 2 meines Selbstversuches beginnt wie Tag 1 mit einem Brötchen und veganem Aufstrich. Mittags in der Kantine esse ich trockene Pasta und Gemüse, nachdem ich mich beim Kantinenleiter versichert habe, dass nichts davon mit Butter oder sonstigen nicht veganen Produkten zubereitet wurde. Nachmittags knabbere ich ein paar Nüsse anstelle von Schokolade und abends bereite ich eine einfache Gemüsepfanne mit Kartoffeln zu.
Gesunde Nuss-Mischung
Vegan leben – Tag 3
An Tag 3 wage ich mich zum Frühstück an Soja-Joghurt mit Obst und muss leider feststellen, dass Soja und ich keine Freunde werden können. Mittags plündere ich, mit knurrendem Magen und zugegebenermaßen leicht frustriert, das Salatbuffet unserer Kantine und sehne dann den Abend herbei, an dem ich mit einer Freundin ein neu eröffnetes veganes Restaurant in meiner schönen Heimatstadt Karlsruhe testen werde.
Bunter Salatteller
My heart beats vegan nennt sich die wirklich süße Lokalität und das Essen dort entschädigt mich voll und ganz für den schlechten Start des Tages: Ich genieße einen Burger mit roter Beete, Zwiebeln, Curry und Falafel, serviert mit köstlichen Süßkartoffel-Pommes. Für alle, die sich gerne selbst davon überzeugen möchten, wie lecker man dort essen kann, hier die Adresse: My heart beats vegan, Kriegsstraße 94, 76133 Karlsruhe. Ein paar schöne Eindrücke vom Ambiente und die Speisekarte findet ihr hier: http://www.mhbv.de/
Vegan leben – Tage 4-6
So versöhnt starte ich in Tag 4. Dieser und die darauf folgenden unterscheiden sich nur unwesentlich von den ersten drei Tagen.
Obst, Nüsse und veganes Müsli
Ich bleibe bei Brötchen und veganem Aufstrich zum Frühstück, Pasta, Gemüse, Salat oder Brötchen zum Mittagessen, esse viel Obst und Nüsse zwischendurch, stehe abends mal mehr und mal weniger ratlos in meiner Küche, wo ich außer dem Kichererbsen-Curry keine weiteren Rezepte getestet und mich an Variationen von Gemüse und Kartoffeln oder einer weiteren Brotzeit gehalten habe, und merke, wie sowohl meine Motivation als auch meine Laune stetig sinken.
Vegan leben – Tag 7
Als sich Tag 7 dem Ende nähert bin ich dann doch auch ein bisschen stolz, dass ich so lange durchgehalten habe. Wirklich vitaler als vor einer Woche fühle ich mich zwar nicht, aber dafür erlebe ich noch eine freudige Überraschung auf der Waage, die tatsächlich ein Kilo weniger anzeigt.
Mein Fazit
Alles in allem, mein Fazit nach 7 Tagen: vegan leben ist machbar, aber nichts für mich … Vermutlich fehlt es mir an der nötigen Überzeugung, um komplett auf tierische Produkte zu verzichten. Und ich esse und genieße einfach zu gerne, weshalb die vegane Lebensweise zu viel Verzicht für mich bedeutet. Glücklicherweise kann jeder für sich selbst entscheiden, was er essen möchte – und so zolle ich allen Respekt, die sich für den veganen und vegetarischen Weg entschieden haben, und bitte gleichzeitig um Nachsicht und Toleranz, denn für mich kommt er nicht in Frage und ich freue mich jetzt schon auf den Pecorino-Käse und die Garnelen, die ich mir heute Abend beim Spanier gönnen werde. In diesem Sinne, lasst es euch schmecken, Eure Steffi.
Bildnachweise:
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Stephanie mag alles, was ausgefallen und individuell ist. Mode in großen Größen und besondere Deko- & Wohnideen sind ihr Steckenpferd.
Hallo Stephanie,
Mich hat deine Art den Artikel zu schreiben so sehr gefesselt das ich alles mit Freude gelesen habe. Wahrscheinlich werde ich keine vegane Ernährung anstreben, aber du hast mich zum nachdenken gebracht… Dein Pilzrisotto werde ich auf jeden Fall testen. Toll das du es gewagt hast… LG Annette
Hallo Steffi, Dein Beitrag ist super … Ganz liebe Grüße vom Bodensee. Pati